Die Autorin und Lyrikerin Hannah Lenz hat sich mit einigen Werken der Malerin Evelyn Buchberger auseinandergesetzt und dazu Gedichte verfasst...
GELBSCHATTEN-WALD
von Hannah Lenz
Die Dünung der nahen See
wirft Bewegung
zwischen die Stämme.
Eine kühle Brise
lässt die Farben tanzen.
Darßer Urwald!
Mein Kindheitstraum,
mein Kindheitsschauer!
Durch den mir fremden
Wuchs, den Salzgeruch,
das ANDERE Wuchern,
streckte er Ahnungen
in mein Sein,
in meine Elbauen-Seele
wie Finger aus
um meine Kindheit
zu greifen.
Vorfreude und Unbehagen
zugleich waren die
Ferientage auf dem Fischland.
Vorfreude, auf das eigene
Wachsen? Unbehagen,
weil die Schwere der See
mit dem leichtsinnigen
Schwert des Lichts
zerteilt wurde?
So viele Fragen!
Keine Antworten!
Nur Gelbschatten….
Aber die Freude!
Wir gingen wie
einsame Vögel
durch den Wald
zum Strand:
Mein Vater, ein gewichtiger Uhu,
der im Meer zum Fisch wurde.
Die Mutter als fröhlich
schwatzende Elster,
wasserscheu und voller Vorsicht.
Ich, der kleine staksige
Strandläufer, trippelte
vor und zurück,
vor und zurück,
nicht Uhu, nicht Elster.
Gelbschatten-Wald
ließ auf dem Rückweg
auf unseren feuchten
Flügeln müde
Lichtreflexe tanzen.
Trocken und schwer
vor Schönheit
fuhren wir nach Hause.
In uns: die blaue Weite,
das heitere Flüstern der Wellen,
die kühlende Dünung
im Gelbschatten-Wald,
und das leise Sirren
der Kiefernadeln
im Wind…
ROTER TROTZIGER TAG
von Hannah Lenz
An einem roten Tag,
wenn mein Strand blutig
und mit Zorn überzogen ist,
wie eine Wunde voller Wut,
mein Strand, mein Sand,
mein Standpunkt, meine
Mitte, mein Ufer
in Fetzen daliegt…
an so einem Tag,
da die alt gewordene
Sonne nur als ein
trübes Auge ohne Wärme
auf die Meere
meiner Möglichkeiten
schaut…
an diesem Tag,
der in seiner diffusen
Stimmung beklemmendes
Welttheater spielt,
aber dabei nur mich
meint, nur meine
unklaren Konturen,
nur meine ineinander
verlaufenden, nicht
harmonisierenden
Farbflächen, nur meinen
nie gewagten Aufschrei,
der den Horizont
aus den Angeln
heben würde…
an so einem vielfarbigen
Tag, wo sich mein Trotz
als Wind gebärdet,
meine Erschöpfung
als Untiefe auftut
und mein Mut dennoch
die Segel setzt
(weil mein letztes
Stündlein noch lange
nicht geschlagen hat)…
an diesem Tag
besteige ich eines
meiner vier Boote,
oder das fünfte unsichtbare,
das den Namen „trotzdem“
am Bug trägt
an diesem
roten trotzigen Tag
segele ich
- einfach so -
einem nächsten
Sonnenaufgang
entgegen.
DAS LICHTE HAUS DER SEELE
von Hannah Lenz
Sehe ich den Tanz
der Häuser
gehe ich in mir
spazieren.
Die Freude kitzelt
meine Fußsohlen.
Das sehnsüchtige
Flimmern alter Tage
hatte ich fast
vergessen.
An hellen Häusern
vorbeigehend
über tanzende
Häuser staunend,
weiß ich um
die uralte Neigung
nach einem Ort
zu suchen,
wo ich zuhause
bin. In mir ist
dieser Ort, wiegen
sich Farben, läuft
das Licht auf
eine Spur zu.
In mir konnte ich
Heimat erwecken
die den Namen
hat:
Angekommen sein.